Ein Stück europäischer Kultur in Eisenberg
Die Gesamtanlage des Friedrich von Gienanth (Dr. Marion von Gienanth, 1999)
Durch das große Interesse am Herrenhaus beim „Tag des offenen Denkmals 2000” angeregt, betrachtete ich die Gemälde, die das Ensemble mit dem Hüttenwerk Eisenberg in verschiedenen Zeiten darstellen. Der „Sprung” von der reinen Zweckanlage im 18. Jahrhundert zu dem, was Friedrich von Gienanth (1805-1842) daraus gemacht hat, ist so groß und überwältigend schön, dass ich mich an berühmte Landschaftsgärten wie Muskau von Fürst Pückler erinnert fühlte. Kann es sein, dass Friedrich sich bewusst mit der aus England in Mode gekommenen Kunst der Landschaftsgärten vertraut gemacht hat? Kann es sein, dass das Herrenhaus, der See mit der Insel, der Park mit seinen klassizistischen Bauten und Figuren als ein großer Landschaftsgarten gesehen werden muss? Kann es sein, dass ein weit gereister Hüttenherr als vermutlich einziger in seiner Zeit ein Stück internationaler Kultur in die Pfalz brachte und sie in seine industrielle Situation integrierte?

Das Eisenhüttenwerk Eisenberg 1836 vom Westen aus gesehen.
Stahlstich nach dem Sizzenbuch von Carl von Gienanth.
Im Hintergrund auf dem Berg die Orangerie mit Park, im Vordergrund der Hammerweiher |
Die Kultur der Landschaftsgärten war von Südengland ausgegangen. Sie war ein Ausdruck der Weitsicht der Romantik. Man wollte sich die Natur nicht mehr, wie der Sonnenkönig in Frankreich, in strenger Symmetrie unterwerfen, sondern sie sollte wieder zu ihrem Recht kommen. Man genoss es, sich immer wieder aufs Neue von schönen Anblicken überraschen zu lassen, indem man liebliche Landschaften mit hineingestellter Architektur als Gesamtkunstwerk anlegte. Jeder neue Blick sollte einem Gemälde gleichen. Um das zu erreichen, errichtete man mitunter auch nur eine Gebäudefassade als Zierde der Landschaft. Diese neue Form der wie zufällig der Natur nachgeahmten Gärten breitete sich bald in ganz Europa aus. Von 1815-45 schuf Fürst Pückler an der Neiße seinen berühmten Park von Muskau. Mit welcher Liebe und welchem Feinsinn ein Landschaftsgarten der Zeit entsprechend an einem Berghang angelegt wurde, beschreibt auch Goethe in den „Wahlverwandschaften”.
Woher Friedrich von Gienanth Inspirationen für seinen Landschaftsgarten bekommen haben könnte, lässt sich aus seinen privaten Aufzeichnungen vermuten. Zum Glück ist sein Tagebuch erhalten. Der Übernahme des Eisenberger Hüttenwerks 1824 durch Friedrich gingen Lehr- und Wanderjahre voraus. 1821/22 war er ein Jahr lang mit seinem Bruder August nach Sachsen und von dort aus zweimal nach Oberschlesien, der Hochburg des Bergbaus, gereist. 1823 nach Frankreich und Südengland. Auch danach - als Hüttenherr - reiste er: 1828 nach Montpellier, die südfranzösische Küste entlang nach Italien und durch die Schweiz, zurück. Bis zu seinem frühen Tod mit 37 Jahren war er noch oft in Italien. Er ist also in der Tat zu Beginn der 1820er Jahre auf dem Weg nach Oberschlesien an Muskau vorbeigekommen und er muss auch die englischen Gärten gesehen haben.
Was fand Friedrich von Gienanth in Eisenberg vor? 1734 hatte Graf Carl August von Nassau-Weilburg westlich des Dorfes einen Großhammer gegründet. Wie man auf dem alten Gemälde sieht, wurden schlichte Bauten errichtet, dazu ein Teich angestaut, um die Hämmer zu betreiben. Ludwig Gienanth, Friedrichs Vater, kaufte 1800 das Hüttenwerk.
Mit dem Bau des Herrenhauses 1829 - vermutlich von Friedrich selbst entworfen - mit pompejanischen Deckengemälden und Tapeten, entstand eines der schönsten herrschaftlichen Häuser der Pfalz. Es war aber offensichtlich nur Teil des Gesamtkonzeptes. Friedrich ließ den einfachen, funktionalen Stausee, den die Nassaus angelegt hatten, vergrößern und im Stil der Landschaftsparks mit einer Insel und Pavillon versehen. Mit dem Aushub des Sees legte er einen Park am gegenüberliegenden Hang an.
1829 schreibt er die „Generalzusammenfassung” der ausgegebenen Gulden in sein Tagebuch:
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Wohnhaus |
16 000 |
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Nebengebäude |
2 800 |
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Bachgewölbe, Steinmauer |
1 380 |
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2 Hofthore |
542 |
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Brückenla... (unleserlich) |
198 |
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Weiherschleuse |
248 |
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Grundarbeiten, Weiher und Insel |
220 |
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Garten mit Mauer u. Schmiedearbeit |
1 105 |
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Ergänzungssteuer |
134 |
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Totalbausumme =
vom 1. April 1825 -1. März 1829.
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22,718
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fl.
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Das war ein Wurf, eine zusammenhängende Baumaßnahme. 1830 folgten die klassizistischen Bauten im Park, d.h. eine Tempelfassade an einer Brunnenanlage, umgeben von klassizistischen Terrakotta-Statuen, welche die Jahreszeiten symbolisierten. Durch den Park verlief eine Schneise, die den Blick auf die Orangerie freigab, ebenfalls ein klassizistischer Bau mit diagonal verlegten Steinquadern am Boden, darunter eine Fußbodenheizung. Bis 1966 standen und hingen dort noch die originalen Statuen und Büsten, die Friedrich in Paris und Rom gesammelt hatte.
Das Zusammenspiel von Produktionsstätten, den barocken Wohn- und Verwaltungsgebäuden, dem repräsentativen klassizistischen Herrenhaus und den Arbeiterhäusern am Weiher sowie der Wasserfläche mit ihrer Insel und dem Park am Hang dahinter verbindet auf einmalige Weise eine Industrieanlage mit dem romantischen Landschaftspark des 19. Jahrhunderts. Daraus wird klar: das Herrenhaus ist nur ein Teil der Gesamtanlage, die womöglich als ein Kulturgut von europäischem Rang angesehen werden kann. Denkmäler wie das Herrenhaus alleine sind eher in der Pfalz zu finden. Bis heute steht allerdings nur das Herrenhaus unter vollem Denkmalschutz.
Die Anlage ist auch aus sozialgeschichtlicher Sicht ein einmaliges Dokument. Hierzu ein kleiner Exkurs in die Geschichte der Gienanths. Sie wanderten 1656 als Schmiede in die Pfalz ein, wurden dann zu Hüttenmeistern und breiteten ihre Hämmer und Gruben im 18. Jahrhundert in der Pfalz durch Kauf und Pachtung weit aus. Nachdem der Adel im Zuge der französischen Revolution vertrieben worden war, wurde Ludwig Gienanth zum größten Arbeitgeber in der Pfalz. Er blieb dabei ein Mann mit hohem sozialen Bewusstsein. Vielleicht „schmiedet” es zusammen, wenn man über Generationen in der Hitze des Eisens im Team arbeitet. Ludwig sorgte mit Häusern, Feldern und Stiftungen sowie Zuwendungen, die als Vorläufer der Betriebskrankenkassen angesehen werden, für seine Arbeiterschaft. Er war Präsident des Wahlkollegiums für den „Landrath” (beratende Kammer für den Regierungspräsidenten des Rheinkreises) in Kaiserslautern. Als „Reichsrath” vertrat er die Interessen der Pfälzer gegenüber der bayerischen Krone. Als ihn König Ludwig I. von Bayern in den erblichen Freiherrenstand erhob, änderte das nichts an seiner demokratischen Einstellung.
Ähnlich Friedrich: er richtete eine Werksschule ein. 23000 Gulden legte er später als Studienförderung an und 6800 Gulden für die Armen von 18 Gemeinden. Der Bau der Eisenberger Anlage war für ihn wirtschaftlich - neben seiner sozialen Verantwortung - nicht leicht. Jede kleinste Ausgabe notierte er. Durch seine Reisen inspiriert, muss es sein sehnlichster Wunsch gewesen sein, ein Stück europäischer Kultur nach Eisenberg zu bringen. Im Gegensatz zum herkömmlichen Adel, der sich mit seinen Schlössern in weitläufige Parks verzog, war Friedrich offensichtlich der Hüttenherr, der aufs Engste mit seinen Mitarbeitern wohnen und arbeiten wollte. Das Herrenhaus errichtete er auf dem Fabrikgelände, den Park jenseits der Straße.

Die Arbeiter hatten in den von Ludwig schon 1811 gebauten Häusern am See den schönsten Blick. In dieser Anlage zeigt sich die innere Haltung der Gienanths. Hier ist Industrie-, Kunst- und Sozialgeschichte auf vielleicht einzigartige Weise miteinander verwoben.
Auf vielen Stichen und Gemälden ist das Ensemble zu sehen. Auch Fotos aus den Sechziger Jahren zeigen die An!age noch unverändert. Danach wurde der Hammerweiher jedoch nicht mehr abgelassen und ist nun fast ganz verlandet. Wasserstraßen hinter der Insel, auf denen man sich noch in den Fünfziger Jahren mit dem Boot durch das Wasserlilienmeer einen Weg bahnen musste, wo man im Winter auf Schlittschuhen entlangjagen konnte, die unzähligen Wasservögel, die dort lebten, sind nur noch Erinnerung. Von Myriaden von Insekten, die dort umherschwirren, ernährten sich rund 300 Schwalben. In der Nacht konnte man im Warmhaus im Park kaum schlafen, weil das Froschkonzert zu laut war.
Nach 35 Jahren Stillstand ist das Wehr nun unbeweglich, sodass es um die Jahreswende 1999/2000 zu Überschwemmungen kam. Würde der See ausgebaggert und danach wie früher alle zwei Jahre abgefischt, könnte er wieder 130 Jahre oder länger seine Form halten. Das Biotop, das sich nach vorne verlagert hat, könnte wieder hinter der Insel entstehen. Somit wäre allen Seiten Rechnung getragen.
Es war beim „Tag des offenen Denkmals” beeindruckend zu erleben, wie wichtig den Menschen die Erhaltung und Wiederherstellung des historischen Ensembles ist. Ein Besucher fuhr sofort nach Hause, um Utensilien zur Untersuchung des nicht mehr gangbaren Wehrs zu holen; er behandelte dann mit der grafitierten rostlösenden Schmierflüssigkeit Cedracon das Wehr und meinte, es sei mühelos wieder in Gang zu bringen! Ein Besucher aus Kleinkarlbach berichtete, dass es seit der Wiederherstellung des dortigen Wehrs keine Überschwemmungen mehr gäbe. Jemand legte gleich eine Unterschriftensammlung an, um den dringenden Wunsch kundzutun, dass die Verantwortlichen gemeinsam den Hammerweiher in seiner historischen Form wieder herstellen sollen. |